Antisemitismus29

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Keine deutsche Handelsstadt, die nicht viele ehrenhafte, achtungswerthe jüdische Firmen zählte; aber unbestreitbar hat das Semitenthum an dem Lug und Trug, an der frechen Gier des Gründer-Unwesens einen großen Anteil, eine schwere Mitschuld an jenem schnöden Materialismus unserer Tage, der jede Arbeit nur noch als Geschäft betrachtet und die alte gemüthliche Arbeitsfreudigkeit unseres Volkes zu ersticken droht; in tausenden deutscher Dörfer sitzt der Jude, der seine Nachbarn wuchernd ausverkauft.

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Autor*inneninfo:

Deutschland: Heinrich von Treitschke Treitschke (1834-1896) erlangte als Historiker und Mitglied des Reichstages Bekanntheit. Er publizierte umfänglich über deutscher Geschichte und zu gesellschaftswissenschaftlichen Fragen.

Kontext:

Im November 1879 veröffentlichte der konservativ-preußische Historiker Heinrich von Treitschke (1834-1896) in den "Preußischen Jahrbüchern" einen Aufsatz, der schließlich zu einer kontroversen Auseinandersetzung zwischen namhaften Professoren an der Berliner Friedrich-Wilhelm-Universität führte. Der Beitrag gipfelte in der später von den Nazis übernommenen Sentenz „Die Juden sind unser Unglück“. Die damals als "Treitschkestreit" bezeichnete Debatte um die nationale Zuverlässigkeit sowie kulturelle Zugehörigkeit der Juden zur deutschen Nation erfasste nahezu alle gesellschaftlichen Milieus.
Vor dem Hintergrund des Berliner Kongresses 1878 (Neuordnung des Balkans) thematisierte Treitschke in den ersten beiden Dritteln seines Aufsatzes "Unsere Aussichten" die außenpolitische Situation des deutschen Kaiserreichs. Der Historiker befürwortete die Politik des Reichskanzlers Otto von Bismarck. In ihr erblickte er neues nationales Selbstverständnis, das sich nicht zuletzt durch weltanschauliche und kulturelle Homogenität auszeichne. In diesem Zusammenhang problematisierte Treitschke im letzten Drittel des Aufsatzes die jüdische Bevölkerung als "nationale Sonderexistenz", engegen der angeblichen Homogenität . Er sprach Juden den Willen zur gesellschaftlichen Integration ab und stigmatisierte sie als Gegner der nationalen Einigung Deutschlands. Mit diesem Aufsatz gelang es dem renommierten und weithin bekannten Historiker, als scheinbar neutraler und wissenschaftlicher Beobachter den in Deutschland grassierenden Antisemitismus in intellektuelle und akademische Führungsschichten hineinzutragen und salonfähig zu machen.

Zum Weiterlesen:

Jahr:

1879