Rassismus im deutschen Kontext 6

Quote:

Witbooi an Leutwein: (…) Daß ich dem deutschen Kaiser nicht unterstellt sein will, das ist doch keine Sünde, Schuld oder Ehrlosigkeit, die Sie berechtigte, die Todesstrafe gegen mich auszusprechen. Ich bitte Sie nochmals, lieber Freund, (…) greifen Sie mich nicht an und lassen Sie mich in Frieden. Leutwein an Witbooi: Daß Du Dich dem Deutschen Reich nicht unterwerfen willst, ist keine Sünde und keine Schuld, aber es ist gefährlich für den Bestand des deutschen Schutzgebietes. Also (…) sind alle weiteren Briefe, in denen Du mir Deine Unterwerfung nicht anbietest, nutzlos.

Quelle:

Der Spiegel 13/1985.

Autor*inneninfo:

Hendrik Witbooi, eigentlich ǃNanseb ǀGabemab (ca. 1830-1905) war seit Ende des Jahres 1888 Kaptein des mit den Nama verwandten Volks der Orlam, der Witbooi.

Kontext:

Hendrik WitbooiTheodor Gotthilf Leutwein war Kommandeur der Kaiserlichen Schutztruppe und Gouverneur von Deutsch-Südwestafrika. Hornkranz (im heutigen Namibia) war kolonial-historisch bekannt für ein Massaker, bei dem 1893 unter Leutweins Kommando 80 Witbooi-Kämpfer getötet sowie 40 Frauen und Kinder verschleppt wurden. Kaptein Hendrik Witbooi wird als afrikanischer Führer gesehen und gefeiert, der als Erster bewaffneten Widerstand gegen die deutschen Kolonialist*innen geleistet hat. Interessant ist in dem Briefwechsel, dass in Leutweins Erwiderungen die Betroffenen der Kolonialisierung mitverantwortlich gemacht werden für die Brutalität, mit der die koloniale Eroberung einherging. Witboois “Hartnäckigkeit” wird von Leutwein als irrationales Verhalten beschrieben, das den Frieden für die deutschen Schutzgebiete gefährde. In diesem Sinn wird Witbooi auch verantwortlich dafür gemacht, dass es zum Krieg und Mord gegen die Witboois kommt. Damals wie auch heute wurde eine Strategie verfolgt, die in Deutschland Wohlstand und Frieden auf Kosten des Globalen Südens wahren will. Auch heute noch wird in den hiesigen Geschichtsbüchern Widerstand gegen Kolonialherrschaft kaum thematisiert und damit nicht wertgeschätzt. Stattdessen wird immer noch das Märchen von gleichberechtigten Handelsbeziehungen und Entdeckungsreisen erzählt. Witbooi starb 1904 im Gefecht gegen die deutsche Kolonialmacht.

Zum Weiterlesen:

*Der Spiegel (1985): „Aufräumen, aufhängen, niederknallen …“. Die Deutschen in ihrer Kolonie Südwestafrika: Rassenhochmut und Völkermord. *Reinhard Koesseler (2007): Genocide, Apology and Reparation – the linkage between images of the past in Namibia and Germany. *Horst Gründer (Hrsg., 2006): ‚...da und dort ein junges Deutschland gründen. Rassismus, Kolonien und kolonialer Gedanke vom 16. bis zum 20. Jahrhundert. München: Deutscher Taschenbuch Verlag. *Sebastian Conrad (2008): Deutsche Kolonialgeschichte. München: C.H. Beck.

Jahr:

1894