Medizin4

Quote:

„So fühlte ich ja auch, nur, dass man das nach außen gar nicht tragen kann. Sie können ihren Schmerz und den Grund für diesen Schmerz, dass die Zwangssterilisation war, konnte ich ja gar nicht nach außen irgendwie deutlich machen. Weil es mit einem solchen Makel behaftet ist, als minderwertig zwangssterilisiert worden zu sein, lebenslang als minderwertig abgestempelt zu sein. Das ist ja eine unglaubliche Sache. Stellen Sie sich mal vor, Sie wären das!“

Quelle:

Autor*inneninfo:

Dorothea Buck (1917-2019) war eine deutsche Autor*in und Bildhauer*in. Sie wurde unter der NS-Herrschaft als psychisch krank eingestuft und zwangssterilisiert. Sie hielt kritische Vorträge, schrieb Aufsätze und u.a. ein Theaterstück über den hunderttausendfachen Mord an psychisch Kranken und Behinderten in der NS-Zeit. 1992 gründete sie mit anderen Betroffenen den Bundesverband Psychiatrie-Erfahrener.

Kontext:

Während der NS-Herrschaft wurden hundertausende Menschen Opfer von Menschenversuchen durch Mediziner:innen, sowie von menschenverachtender medizinischer Behandlungen und Krankenmorden. Die Nazis suchten sich ihre Opfer in Psychatrien, in Konzentrations- oder Kriegsgefangenenlagern. Nach den Nürnberger Prozessen gegen die Hauptkriegsverbrecher fanden 1946-1949 zwölf Nachfolgeprozesse statt. Im Ärzte-Prozess von 1946-1947 klagte das amerikanische Militärgericht 23 Mediziner:innen, Verwaltungsangestellte und einen Juristen an u.a. wg. Verbechen gegen die Menschlichkeit an. Sieben von ihnen wurden zum Tode verurteilt. Der bekannteste Kriegsverbrecher, Joseph Mengele, Lagerarzt in Auschwitz 1943-1945, wurde nie gefasst und starb 1979 bei einem Badeunfall in Brasilien. Jahrzehntelang kämpften Opfer von KZ-Menschenversuchen auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs um Entschädigung und Anerkennung. Auch hier können koloniale Ungerechtigkeiten ausgemacht werden, denn die Nazis sahen in Osteuropa ihr koloniales Projekt (Zimmerer 2003). Nach dem Krieg wurden osteuropäischen Überlebenden lange Zeit von allen Leistungen ausgegrenzt. "Dies änderte sich erst durch die internationale Aufmerksamkeit für das Verfolgungsschicksal der Gruppe polnischer Frauen, die als Ravensbrueck Lapins bekannt wurden. Ihr Fall trug maßgeblich dazu bei, dass die radikale Ausgrenzung osteuropäischer NS-Verfolgter allmählich aufweichte" (Baumann 2009). Bild: Die von Dorothea Buck geschaffene Bronze-Statue „Mutter mit Kind“ (Hamburg).

Zum Weiterlesen:

*Stefanie Michaela Baumann 2009: Menschenversuche und Wiedergutmachung : Der lange Streit um Entschädigung und Anerkennung der Opfer nationalsozialistischer Humanexperimente. Berlin, Boston, Oldenbourg: De Gruyter. *Jürgen Zimmerer, Holocaust und Kolonialismus. Beitrag zu einer Archäologie des genozidalen Gedankens, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 51/2003, S. 1098–1119, hier S. 1102. Seine Beiträge zur Kontinuitätsfrage erschienen noch einmal gesammelt als ders., Von Windhuk nach Auschwitz? Beiträge zum Verhältnis von Kolonialismus und Holocaust, Berlin 2011.

Jahr:

1936 (2010)