Kultur 4

Quote:

Kolonialpolitik zu betreiben kann unter Umständen eine Kulturtat sein. (…) Kommen die Vertreter kultivierter und zivilisierter Völkerschaften, wie es z. B. die europäischen Nationen und die nordamerikanische sind, zu fremden Völkern als Befreier, als Freunde und Bildner, als Helfer in der Not, um ihnen die Errungenschaften der Kultur und Zivilisation zu überbringen, um sie zu Kulturmenschen zu erziehen, geschieht das in dieser edlen Absicht und in der richtigen Weise, dann sind wir (…) die ersten, die eine solche Kolonisation als große Kulturmission zu unterstützen bereit sind.

Quelle:

Reichtstagsprotokoll vom 01.12.1906

Autor*inneninfo:

August Bebel (1840-1913) war ein deutscher Politiker, Begründer der organisierten Arbeiterbewegung in Deutschland und „Vater der deutschen Sozialdemokratie“.

Kontext:

August BebelDie Rede von August Bebel im Reichstag, aus der das Zitat stammt, war ein Beitrag in der Debatte zum Umgang mit dem Vernichtungskrieg gegen Herero und Nama in der damaligen deutschen Kolonie Deutsch-Südwest-Afrika 1904-1908. Bebel bezog sich auf den damals aktuellen Diskurs der "Zivilisierungsmission": also in der Kolonien nicht mehr mit „zerstörerischen Mitteln“, sondern mit “Erhaltungsmitteln“ zu kolonisieren. Die Denkweise basiert stark auf einem rassistisch geprägten Kulturbegriff und einer Einteilung in Kulturvölker und Naturvölker. Die selbsternannten Kulturvölker legitimierten so die Herrschaft über und Erziehung von Anderen. Unter den Sozialdemokrat:innen gab es erbitterte Dispute über Kolonialpolitik (siehe Kautsky 1907). Eduard Bernstein und Gustav Noske lehnten Kolonialismus ebenfalls nicht gänzlich ab, während Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht und Karl Kautsky entschiedene Gegner waren.

Zum Weiterlesen:

*Noah Sow (2011): Naturvölker. In: Susan Arndt & Nadja Ofuatey-Alazard (Hrsg.): Wie Rassismus aus Wörtern spricht. (K)Erben des Kolonialismus im Wissensarchiv deutsche Sprache. Ein kritisches Nachschlagewerk. Münster: Unrast, S. 694. *Karl Kautsky (1907): Sozialismus und Kolonialpolitik. Berlin: Buchhandlung Vorwärts, S. 6. *Markku Hyrkkänen (1986): Sozialistische Kolonialpolitik. Helsinki: SHS.

Jahr:

1906